Da es immer eine erfreuliche, wenn auch eher seltene Erfahrung ist, einen Nahost-Experten in der deutschen Medienlandschaft vertreten zu finden, der sehr deutlich seine Meinung zum Thema Syrienkonflikt kundtut, möchte ich an dieser Stelle auf die Interviews Prof. Dr. Günter Meyers, des Leiters des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt der Universität Mainz, in diversen renommierten Zeitungen, Fernsehsendern und Rundfunkkanälen aufmerksam machen. Obwohl Meyers Antworten bisweilen den Interviewer auf dem linken Fuß erwischen (wie z.B. in diesem Rundfunk-Interview mit Bayern 2, wo der Reporter die vorherrschende Meinung bestätigt haben will, dass die Assad-Regierung für das Scheitern der Beobachtermission der Arabischen Liga verantwortlich sei, und das Gegenteil zu hören bekommt), wird er dennoch immer wieder als Experte hinzugezogen (z.B. Phoenix , 3sat; arte; Deutschlandfunk , FAZ, ntv). In einem Interview mit dem Magazin der Uni Mainz sagt er über die Berichterstattung zum Syrienkonflikt gar: „So eine Form von Desinformation habe ich noch nie erlebt“, wobei er den Medien vorwirft, unreflektiert Material wiederzugeben, welches von der Opposition bereitgestellt wurde. „’Selbst die Nachrichtenagentur Reuters fiel auf eine solche Fälschung herein und verkaufte einen Film aus dem Libanon von 2008 als aktuelles Dokument zur Syrien-Krise.‘ Meyer nennt ein weiteres skandalöses Beispiel: ‚Al-Jazeera hatte am Anfang noch eine hohe Akzeptanz als Nachrichtensender. Aber dann tauchten Mitschnitte auf, in denen zwei Journalisten des Senders bei der Interviewvorbereitung einem als Verletzte kostümierten Mädchen erklären, was es bei der Aufzeichnung sagen soll, und einen Arzt dazu bringen, eine falsche Diagnose für das gesunde Kind abzugeben. Da wird systematische Fälschung betrieben. Al-Jazeera hat dadurch in der arabischen Welt als seriöse Quelle weitgehend den Rückhalt verloren.’“ Die Regierung sei zwar zu Beginn der Unruhen zu radikal gegen die Demonstranten vorgegangen, doch Assad genieße Rückhalt in der Bevölkerung, besonders in den größeren Städten: „Zwar wurde der ländliche Raum, wo die Rebellion begonnen hat, in den letzten Jahren vernachlässigt, und eine Dürre verschärfte die Situation noch, aber gleichzeitig hat die Bevölkerung in den größten Städten Damaskus und Aleppo erheblich von den wirtschaftlichen Reformen des Regimes profitiert. Dort hat Assad den stärksten Rückhalt. Wenn also in Damaskus zwei Millionen Menschen für ihn auf die Straße gehen und von den westlichen Medien als bezahlte Jubler dargestellt werden, ist das falsch.“
Im Deutschlandfunk äußert Meyer über die regierungsfeindlichen Kräfte: „Das heißt, moderate verlässliche Rebellengruppen oder Milizen, die wirklich ein Fundament und auch ein Machtfaktor in Syrien darstellen, die gibt es nicht mehr.“
Als in einem Interview mit dem Sender Phoenix im Jahr 2013 die Frage erörtert wird, ob die Regierung oder die Rebellen für den Giftgaseinsatz verantwortlich sind, vertritt er den (zu diesem Zeitpunkt höchst unpopulären) Standpunkt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach radikale Rebellengruppen dahinterstünden, da allein diese einen Vorteil aus der Situation zögen: Assads Truppen waren zu diesem Zeitpunkt militärisch überlegen und hatten keinerlei Motiv, Giftgas einzusetzen – zumal am Vortag internationale Inspekteure eingetroffen waren, um wegen Giftgasvorwürfen zu ermitteln (!). Zudem war sich die syrische Regierung bewusst, dass der Einsatz von Giftgas die Amerikaner auf den Plan rufen würde, nachdem Obama kurz davor den Einsatz von Giftgas als „rote Linie“ bezeichnet hatte. (Die Saringas-Geschichte liegt nun schon ein paar Jahre zurück, aber ich weise immer noch gerne darauf hin, da es um ihretwillen fast zu einem Krieg gekommen wäre. Diese Region hat in den letzten Jahrzehnten zu viele Kriege auf der Basis von an den Haaren herbeigezogenen Vorwänden wie den angeblichen Chemiewaffen im Irak und der haarsträubenden Kuweit-Brutkasten-Story gesehen. Es reicht.) Der Moderator wendet in kindlicher Naivität ein, dass aber doch Assads Regime Giftgasfabriken betreibe und dies allein bereits auf üble Absichten schließen lasse, woraufhin Meyer erwidert, dass Syrien in erster Linie deshalb ein Chemiewaffenarsenal halte, um das atomwaffenbesitzende Israel abzuschrecken.
Quelle Bild: Magazin Uni Mainz
Besten Dank! Da ich kein Fernsehen habe und auch sonst kaum die ‚etablierten Medien‘ verfolge, war mir Herr Meyer bislang nicht aufgefallen. Wie wohltuend, daß es neben dem ebenfalls kritischen Guido Steinberg noch weitere echte Experten gibt, die sich nicht – wie z.B. Volker Perthes – zur (Unter)stützung von Verbrechen und gefälschten Informationen instrumentalisieren lassen. Ich war übrigens gerade in der letzten Woche wieder in Damaskus: Die wirkliche ‚Ewige Stadt‘ (laut Mark Twain) läßt grüßen!
Aus diesem Grund zitiere ich diesen mit seinem aus seinem 1869 erschienenen Reisebericht ‚Die Arglosen im Ausland‘ (S. 484 f.):
„Damaskus existierte schon vor der Zeit Abrahams, und es ist die älteste Stadt der Welt. (…) Läßt man die Dinge beiseite, die in den ersten elf Kapiteln des Alten Testaments geschrieben sind, so hat sich in der Welt kein Ereignis zugetragen, dessen Kunde uns überliefert wurde, ohne daß Damaskus bereits existiert und Nachricht davon erhalten hätte.
Man gehe zurück in die verschwommene Vergangenheit, soweit man wolle, es gab immer ein Damaskus. Im Schrifttum jedes Jahrhunderts seit mehr als viertausend Jahren wird sein Name erwähnt und sein Ruhm besungen.
Für Damaskus sind Jahre nur Augenblicke, Jahrzehnte nur vorbeihuschende, unbedeutende Zeitabschnitte. Es mißt die Zeit nicht nach Tagen und Monaten und Jahren, sondern nach den Reichen, die es hat erstarken, blühen und verfallen sehen. Es ist ein Urbild der Unsterblichkeit.
Es sah, wie die Fundamente für Baalbek und Theben und Ephesos gelegt wurden; es hat diese Dörfer zu mächtigen Städten anwachsen und die Welt durch ihre Größe in Staunen versetzen sehen – und es mußte erleben, daß sie verödeten, verlassen und den Eulen und Fledermäusen anheimgegeben wurden.
Es sah das israelische Reich hoch erhaben und sah es vernichtet. Es sah Griechenland empor wachsen, 2000 Jahre lang blühen und dann vergehen. In seinen älteren Jahren sah es, wie Rom erbaut wurde; erlebte, wie es die Welt mit seiner Macht überschattete und wie es unterging. Die paar hundert Jahre genuesischer und venezianischer Macht und Pracht waren für das ernste, alte Damaskus nur ein unbedeutendes Glitzern, kaum der Erinnerung wert.
Damaskus hat alles gesehen, was je auf die Erde geschah, und lebt noch immer. Es hat auf die dürren Gebeine Tausender von Reichen herabgeblickt und wird die Gräber tausend weiterer sehen, bevor es stirbt. Obwohl eine andere Stadt den Namen für sich beansprucht, ist Damaskus mit Recht die „Ewige Stadt“…
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