Der „Syrische Zivilschutz“, auch bekannt als „White Helmets“, zieht derzeit große mediale Aufmerksamkeit auf sich, zum einen wegen ihrer Filmaufnahmen vom brennenden UN-Konvoi und ihrer Behauptung, syrische Hubschrauber hätten Fassbomben auf ebendiesen Konvoi abgeworfen, und zum anderen, weil wenige Tage später ihre gemeinnützige Arbeit mit dem alternativen Nobelpreis („Right Livelihood Award“) geehrt wurde. Die „White Helmets“ begeben sich unter Lebensgefahr direkt nach Bombardierungen durch die syrische und russische Luftwaffe in halb eingestürzte Gebäude, um eventuelle Überlebende zu retten. Dieses Video zeigt beispielsweise, wie ein Junge von den „White Helmets“ gerettet wurde. Nach eigenen Angaben der Organisation, die aus ca. 2800 ehrenamtlichen Helfern besteht, wurden auf diese Weise bereits mehr als 60000 Menschenleben gerettet, ca. 150 Helfer starben bei ihren Einsätzen. Auch übernehmen die „White Helmets“ oft Vermittlungsaufgaben und organisieren den humanitären Zugang für Hilfslieferungen [herofund.whitehelmets]. Der Gründer der Organisation, James Le Mesurier, betont, dass die „White Helmets“ unparteiisch sind und jeden retten, auch Hisbollah-Kämpfer, Mitglieder der vom Iran ausgebildeten schiitischen Milizen oder syrische Soldaten [Al Jazeera]. Auf der Webseite der Mayday-Organisation, welche die Finanzströme der Organisation regelt, ist zu lesen, dass Mesurier 20 Jahre als UN-Mitglied in Problemstaaten gearbeitet habe sowie als Konsultant für private Firmen und das „UK Foreign and Commonwealth Office“. Auch als Offizier der britischen Armee war er tätig. „Viele seiner Erfahrungen beeinhalteten Stabilisierungs-Aktivitäten durch den Security-Sektor und Demokratisierungsprogramme.“ In einem Al Jazeera-Interview erzählt Mesurier, wie es zur Gründung des „Syrischen Zivilschutzes“ im Jahr 2013 gekommen war: „Zu dieser Zeit arbeitete ich in Istanbul und lernte eine Gruppe türkischer Erdbebenhelfer kennen. ‚Wenn es möglich ist, Leute aus einem Gebäude zu retten, welches infolge eines Erdbebens eingestürzt ist, dann muss es auch möglich sein, Leute aus einem Gebäude zu retten, welches aufgrund eines Bombenangriffs eingestürzt ist‘, dachten wir uns.“ Zu Beginn hätten sie lediglich zwanzig Freiwillige trainiert. Seitdem ist die Gruppe stark gewachsen und verfügt über ein beachtlichen Budget: Allein von der US-Hilfsorganisation USAID erhielt sie 23 Millionen, was auch Mark Toner, der offizielle Sprecher des Weißen Hauses, bestätigt [U.S. Department of State]. Auch der Conlict Security and Stability Fund der britischen Regierung zählt sich zu den Sponsoren sowie die niederländische Regierung [GovernmentNL], die deutsche, die dänische und die japanische [MaydayRescue]. Das Funding läuft über die eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufene „Mayday“-Organisation, die ihren Sitz in Istanbul hat, aber als niederländische Organisation registriert ist. Es gibt aber auch Büros in Amsterdam, Dubai und Jordanien.

Auch im Bericht der Untersuchungskommission der OVCW zu den Chlorgasattacken wird der „Syrische Zivilschutz“ erwähnt. In manchen Dörfern unterhalten die Weißhelme Frühwarnsysteme mit Hilfe von Radios, Moscheen, etc., um vor dem Einsatz von chemischen Waffen zu warnen [UN, S.66, Punkt 49]. Diese geben bisweilen Fehlalarme heraus; in einigen Fällen fanden Einwohner ihre Häuser bei ihrer Rückkehr ausgeraubt vor [S.70, Punkt 16 und S.12, Punkt 48, wobei hier allerdings nicht explizit hervorgeht, dass es sich bei diesem Frühwarnpersonal um die „White Helmets“ handelt. Die Vermutung liegt allerdings nahe, wenn man ihn mit Punkt 49 auf S.66 vergleicht. Auch werden die Fehlalarme nicht explizit mit den Hausausraubungen in Verbindung gebracht. In Punkt 48 auf S.12 erwähnt die Kommission explizit, dass in einigen Fällen, in denen Flugzeuge gesichtet werden, die „Frühwarner“ die einzigen Zeugen sind.]

Und noch ein kurioses Detail: Im April wurde dem Leiter des „Syrischen Zivilschutzes“, der zu Beginn der Aufstände 2011 in seiner Heimatstadt Jisr ash-Shugur „friedliche Demonstrationen“ organisiert hatte, nach der Landung in Washington, D.C. die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert.Raed Saleh war in die USA gekommen, um einen Preis der aus über 180 Hilfsorganisationen bestehenden „InterAction“-Organisation entgegenzunehmen [ New York Times, BusinessInsider]. Sein Visum war noch bis September 2016 gültig, und er hatte ohne Probleme ins Flugzeug steigen können. Nach der Landung aber wurde ihm erklärt, sein Visum sei gecancelt worden, was also geschehen sein musste, als er sich in der Luft befand. Journalisten bedrängten den offiziellen Pressesprecher des Weißen Hauses, Mark Toner, ihnen über die Hintergründe Auskunft zu geben. Es mute paradox an, dass die USA die „White Helmets“ offiziell unterstütze – Toner war gerade dabei, eine Lobrede auf die „White Helmets“ zu halten – jedoch ihren Stellvertreter nicht einreisen lasse. Toner bemühte sich daraufhin zwischen der Arbeit der Gruppe und Saleh als Individuum zu differenzieren. „Leider können wir keine Auskunft über individuelle Visum-Fälle geben. Aber ganz allgemein kann man sagen, dass wir in Visum-Fällen ununterbrochen nach neuen Erkenntnissen Ausschau halten, sogenannte Überwachungsdatensätze [vetting records]. Und falls wir neue Informationen erhalten, die andeuten, dass ein Individuum ein Sicherheitsrisiko darstellt, dann werden wir da sicherlich darauf reagieren. Nochmal: Ich kann nicht speziell über diesen Fall Auskunft geben, aber ich kann über die Gruppe [gemeint ist die „White Helmets“] sprechen…“ Er will in seiner Rede fortfahren. Ein Reporter fragt daraufhin, wie man denn den Leiter der Gruppe getrennt von der Gruppe betrachten könne. Toner erwidert: „Nun ja, er ist schließlich auch nur ein Individuum in der Gruppe.“ „Aber der Leiter der Gruppe“, betont der Reporter. [Nach dieser Logik wäre der US-Präsident auch nicht mehr als „nur“ ein Amerikaner unter Millionen.] Toner: „Und gegenüber jedem Individuum – aus spezifischen Gründen bin ich wieder gezwungen, mich allgemein auszudrücken – gegenüber jedem Individuum ganz gleich welcher Gruppe, würden wir dementsprechend handeln, wenn es im Verdacht stünde, Kontakte zu extremistischen Gruppierungen zu haben oder ein Sicherheitsrisiko für die Vereinigten Staaten darzustellen. Aber das heißt nicht, dass wir die Beziehungen zur Gruppe wegen dieses Individuums abbrechen würden. […] Und um allgemeiner zu sprechen – zu sagen, dass diese Gruppe – das ist denke ich die Implikation Ihrer Frage, dass diese Gruppe irgendwelche Verbindungen hat zu…“ Journalist: „Nein, darauf will ich nicht hinaus.“ Toner: „Ah dann…okay.“ Journalist:  „[…] Ich meine, wenn Sie Grund haben, sein Visum zu annullieren, wenn Sie glauben, er könnte ein Sicherheitsrisiko sein, weshalb fahren Sie dann mit der Unterstützung fort…“ Toner: „Ich sage es noch einmal: Wir versuchen, dieses Individuum gesondert von der Gruppe zu betrachten, von welcher wir glauben…“ Journalist: „In Ordnung. Der Mann ist also – Sie versuchen zu sagen, dass der Mann verdächtig ist und die Gruppe nicht?“ Toner: „Nochmals, ich kann zu den spezifischen Vorwürfen gegen ihn nichts sagen.“    [U.S. Department of State]

Auf Anraten zweier Leser bin ich der Frage nachgegangen, ob die White-Helmets an von al-Nusra durchgeführten Hinrichtungen teilnehmen. Hier ist ein sehr aufschlussreiches Video, welches ich jeden anzusehen bitte. Das im Verlauf dieses Interviews mit der Reporterin Vanessa Beeley gezeigte Video-Material beweist eindeutig, dass White-Helmets an Exekutionen teilgenommen haben. Z.B. tauchen sie in einem Video buchstäblich Sekunden nach der Durchführung einer Exekution auf, um die Leiche wegzuschaffen. Ferner wird belegt, dass einzelne White-Helmets-Mitglieder mit al-Nusra zusammenarbeiten. Freilich lässt sich daraus nicht schließen, dass die ganze Organisation Beziehungen zu al-Nusra hat – in Kombination mit Toners quasi-Eingeständnis, dass Raed Saleh wegen seiner al-Nusra-Beziehungen nicht in die USA einreisen durfte, ergibt sich allerdings ein unangenehmes Gesamtbild.