Syriens Union mit Ägypten (1958-1961)
Nachdem Nasser im Oktober 1957 Truppen nach Latakia entsendet hatte, um seine Solidarität zu Syrien zum Ausdruck zu bringen und handfeste Unterstützung anzubieten, werden immer mehr Stimmen unter den syrischen Politikern und beim syrischem Militär laut, die sich für eine Vereinigung mit Ägypten aussprechen. Die Ba’thisten sowie Vertreter der radikalen Linken sehen diesen Schritt als Lösung für alle Probleme Syriens an. Ohne Befugnis durch die Regierung machen sich im Januar 1958 der Generalstabschef und eine Gruppe ranghoher Offiziere auf den Weg nach Kairo. Nasser jedoch, der in seinen Reden eher den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung arabischer Staaten im Sinne gehabt hatte als eine tatsächliche physische Union dieser Staaten, wird von diesem Vorschlag auf dem falschen Fuß erwischt: Es existiert keinerlei Konzept, sei es nun in wirtschaftlicher, sozialer oder militärischer Hinsicht, um zwei bislang unabhängige Staaten, die noch dazu keine gemeinsame Grenze aufweisen (zwischen ihnen liegt ausgerechnet ihr Erzfeind Israel), zu vereinigen.
Außenminister ad-Din al-Bitar, reist schließlich nach Kairo, um sich ein Bild davon zu machen, was denn nun eigentlich los ist. Obwohl er ebenso wenig mit der Vollmacht ausgestattet ist, Verhandlungen zu führen wie die Militärs, schließt er ein Abkommen mit Nasser.
Nasser hatte alle politischen Parteien abgeschafft [1], und an ihrer statt eine politische Organisation mit Namen „Arabische Sozialistische Union“ eingeführt. Nun hat er nicht vor, sich durch die Union mit Syrien wieder mit Parteien herumärgern zu müssen – zu negativ ist seine Erfahrung mit den korrupten ägyptischen Parlamentariern vor der Revolution – und macht den syrischen Politikern von Anfang an klar, dass er keine politischen Parteien dulden wird, auch nicht die Ba’th-Partei. Die ehemaligen Parteimitglieder seien aber herzlich dazu eingeladen, ihr Volk in der Arabischen Sozialistischen Union zu vertreten. Syrien geht darauf ein und wird am 1. Februar 1958 zur nördlichen Provinz einer „Vereinigten Arabischen Republik“. Präsident Shukri al-Quwatli, der 1955 erneut zum Präsidenten gewählt worden war, muss seine Machtposition gegen den bedeutungslosen Titel „Erster Arabischer Bürger“ eintauschen.
Schnell wird deutlich, dass die Union mit Ägypten aus syrischer Sicht übereilt gewesen war. Die Einwohnerzahl Syriens beträgt gerade einmal ein Viertel derjenigen Ägyptens, welches den Suez-Kanal unter seiner Kontrolle hat und die Führungsnation im arabischen Block ist. Syriens Interessen werden nicht wahrgenommen; die Nationalversammlung der Vereinigten Arabischen Republik ist von Ägyptern dominiert. Alle wichtigen Entscheidungen werden von Nasser getroffen, während die syrischen Mitglieder der neuen Regierung sich in Kairo von ihrer politischen Basis abgeschnitten sehen. Der ägyptische General Abd al-Hakim Amer, ein enger Freund Nassers, wird in Damaskus installiert, um die „nördliche Provinz“ Syrien zu leiten. Ad-Din al-Bitar und Akram al-Hourani treten zurück.
Der Staat greift in bisher nie dagewesenem Ausmaß in Syriens Wirtschaft ein. Syrische Banken werden in das Nationalisierungsprogramm der Finanzeinrichtungen, welches gerade in Ägypten durchgeführt wird, miteinbezogen. Eine Landwirtschaftsreform, die die Umverteilung des Landes nach ägyptischem Vorbild zum Ziel hat, bringt die Großgrundbesitzer in arge Bedrängnis. Zusammen mit den Geschäftsleuten setzen sie sich für eine Beendigung der Union ein.
Schließlich kommt es am 28. September 1961 in Damaskus zu einem von syrischen Offizieren durchgeführten Staatsstreich. Als Nasser sich weigert, mit ihnen über Reformen zu diskutieren, enden sie die Union. Nasser akzeptiert diese Entscheidung widerspruchslos und versucht nicht, die Union mit Einsatz von Gewalt am Leben zu erhalten.

[1] „Ich bin ein ehrlicher und bescheidener Mann – wozu also brauchen wir Parteien?“