Nachkriegszeit: 1949-1958
Die hinter dem Putsch stehenden Offiziere sind Mitglieder der Syrischen Nationalen Partei, die az-Za’im für Antun Sa’adas Tod verantwortlich machen. Ihr Anführer Oberst Sami al-Hinnawi versucht, die demokratische Ordnung wiederherzustellen und organisiert Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung. Nur eine Woche nach der ersten Zusammenkunft dieser Versammlung wird al-Hinnawi seinerseits von Oberst Adib ash-Shishakli von der Macht entfernt. Ash-Shishakli errichtet eine Art Militärregime, das formal durch seinen Strohmann Fawzi Selu regiert wird und immerhin rekordverdächtige vier Jahre hält. Er stockt die Armee auf 43.000 Mann auf, kauft neues Militärequipment von Frankreich und lässt Offiziere in Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Westdeutschland und Italien ausbilden. Er geht gegen Kriminalität im Landesinneren vor, verbietet den Verkauf von Land an Ausländer und verzichtet aus Prinzip heraus auf amerikanische Hilfsmittel. Ash-Shishakli ist gegen eine Vereinigung des Irak unter haschemitischer Herrschaft, ja, einer der Gründe, aus dem er den Putsch durchführt, ist, ein solches Szenario zu vermeiden.
Akram al-Houranis Arabische Sozialistische Partei vereinigt sich 1952 mit der Ba’th-Partei zur Arabischen Sozialistischen Ba’th-Partei. Wie Aflaq ist auch al-Hourani der Überzeugung, eine Regierung müsse streng säkular sein. (Die Großgrundbesitzer benutzen gerne sunnitische Prediger, um die Bevölkerung gegen Reformen aufzuwiegeln, die für besagte Großgrundbesitzer von Nachteil sein könnten.) Mit diesem Zusammenschluss vereinigen sich die Bestrebungen, die Lage der Bauern zu verbessern, die noch immer unter feudalistischen Strukturen leiden (al-Hourani) und diejenige Aflaqs, das arabische Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Als ash-Shishakli jedoch alle politischen Parteien auflöst und ein Einparteiensystem (Arabische Freiheitsbewegung) einrichtet, sehen sich al-Hourani, Aflaq und ad-Din al-Bitar (das zweite Gründungsmitglied der Ba’th-Partei) gezwungen, in den Libanon zu fliehen.
Nach monatelangen Streiks und Demonstrationen, welche insgeheim vom Irak unterstützt worden waren, muss ash-Shishakli am 25. Februar 1954 abtreten. Nachdem es zunächst so aussah, als würde er die Oberhand behalten, beging er einen folgenschweren Fehler, indem er Truppen in die von Drusen bewohnte Stadt as-Suwayda im Hauran entsandte, um die Demonstrationen dort in den Griff zu bekommen – er fürchtete ein ähnliches Szenario, wie beim Drusenaufstand von 1925. Drusen-Offiziere in Deir az-Zor verschwören sich gegen ihn, und eine Militärrevolte bricht in Aleppo aus. Ash-Shishakli flieht nach Beirut, später nach Brasilien, wo er letztendlich 1964 von einem Drusen erschossen wird.
Kaum haben sich die Kolonialmächte zurückgezogen, zeigt sich schon die nächste Wolke am Horizont: Der Kalte Krieg. Westliche Diplomaten und NATO-Vertreter besuchen Syrien, um es davon zu überzeugen, dass die größte Bedrohung auf Erden vom Kommunismus ausgeht. Für Syrien jedoch ist die größte Bedrohung – einmal abgesehen von innenpolitischen Turbulenzen und den Intrigen der arabischen Nachbarstaaten – viel näher gelegen: Nämlich Israel, welches gerade vom Westen, der Syrien nun um seine Solidarität im Kampf gegen die sowjetische Bedrohung bittet, tatkräftig unterstützt wird. Als 1950 US Vizepräsident Barkeley Israel als „eine Oase der Freiheit in einer Wüste der Unterdrückung“ bezeichnet, kommt es zu massiven antiamerikanischen Demonstrationen in Damaskus. Syrien ist nicht gewillt, auf Seiten des Westens in den Kalten Krieg einzusteigen, zumal Waffenlieferungen aus den USA an die Bedingung geknüpft wären, sie nicht gegen Israel einzusetzen, welches jedoch von Syrien als Hauptgefahr für die nationale Sicherheit eingestuft wird.
Während im Februar 1955 der Bagdad-Pakt zwischen Großbritannien, Irak, der Türkei, dem Irak und Pakistan unterzeichnet wird, geht Syrien im Oktober ein Defensivbündnis mit Nassers Ägypten ein. Nun ist Syrien abermals in einer Zwickmühle gefangen: Auf der einen Seite wird es in den Kampf zwischen Ägypten und dem Irak um die Vormachtstellung in der arabischen Welt hineingezogen, auf der anderen Seite sind da die Westmächte, die darauf aus sind, den kommunistischen Einfluss im Mittleren Osten einzudämmen. Zwischen Frühling und Sommer 1956 ermutigt der Irak – mit Rückendeckung von Amerika und Großbritannien – syrische Exilpolitiker und Armeeoffiziere, einen Putsch durchzuführen, der jedoch scheitert.
1956 verstaatlicht Nasser den Suez-Kanal, was zur Invasion von Großbritannien, Frankreich und Israel führt. [1] Dank der Intervention der USA und der Sowjetunion endet das Abenteuer mit einem politischen – wenn auch nicht militärischen – Sieg Nassers, was ihm enormes Prestige in der arabischen Welt einbringt. Nasser plädiert dafür, dass sich die arabischen Staaten neutral im Kalten Krieg verhalten sollten und stößt damit auf Sympathie bei den Ba’thisten.
Im August 1956 werden volle diplomatische Beziehungen zwischen Syrien und der UdSSR aufgenommen. In der Folge werden Waffen aus der Sowjetunion an Syrien geliefert, und syrische Offiziere werden neuerdings zur Ausbildung in die Sowjetunion geschickt. Diese Entwicklung sehen die USA und Großbritannien mit Besorgnis: Sie fürchten, Syrien könne ein sowjetischer Satellit werden. Amerikanische und britische Geheimdienste erwägen Szenarien, die dem Irak, Jordanien und der Türkei einen Vorwand liefern könnten, in Syrien einzufallen, wie z.B. die Inszenierung von Sabotageaktionen und Zwischenfällen an der Grenze zu Jordanien, dem Irak und dem Libanon, um diese dann Damaskus in die Schuhe zu schieben. Diese Pläne, die die Ermordung Khaled Baqdashs [2], Oberst Sarrajs [3] und General al-Bizris [4] miteinschlossen – in den Augen der Amerikaner und Briten ein Triumvirat, das versuchte, Damaskus an Moskau anzunähern – wurden jedoch niemals in die Tat umgesetzt.
[1] eine höchst interessante Geschichte, die an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden kann. Es lohnt sich jedoch, das nachzulesen
[2] Führer der Syrischen Kommunistischen Partei
[3] Chef des syrischen Militärgeheimdienstes
[4] Chef des Generalstabs