In seinem am 25. Juni 2017 in der „Welt“ erschienen Artikel stützt sich Hersh u.a. auf die Aussagen eines Nationalen Sicherheitsberaters der US-Regierung, welcher auch für das Verteidigungsministerium und die CIA tätig war.

Im Rahmen seines Abkommens mit den USA zur Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum hatte Russland den in Doha befindlichen Vertretern der von den USA geführten Koalition zur Bekämpfung des IS einige Tage vor dem 4. April 2017 mitgeteilt, dass eine wichtige Operation in Khan Shaykun geplant sei. Vor Beginn der Operation informierten die Russen auch ein AWAC-Flugzeug der Koalition, welches 60 km entfernt an der türkischen Grenze patrouillierte.

Das Ziel war ein zweistöckiger Betonblock im Norden der Stadt, in welchem russischen Nachforschungen zufolge am 4. April ein Meeting der Anführer verschiedener jihadistischer Gruppierungen wie Ahrar ash-Sham und Jabhat an-Nusra (Tahrir ash Sham) stattfinden sollte. (Die Stadt selbst steht unter der Kontrolle Jabhat an-Nusras und Ahrar ash-Shams.) Für den Fall, dass Agenten an besagtem Jihadisten-Treffen teilnehmen sollten, warnten die Russen auch die CIA vor dem bevorstehenden Angriff. Im Rahmen der Operation war das Gebäude mehrere Tage lang von einer russischen Drohne überwacht worden, um sich ein Bild über die dort Ein- und Ausgehenden zu verschaffen. Der Angriff wurde von einer Su-24 der syrischen Armee mit einer von Russland bereitgestellten mit 500-Pfund konventionellem Sprengstoff bestückten gelenkten Bombe ausgeführt. Der Umstand, dass die Russen der syrischen Armee eine ihrer kostbaren gelenkten Bomben überließen, was sehr selten vorkommt, ist auf die große Bedeutung des Ziels zurückzuführen.

Nun wurde russischen Informationen gemäß das Zielgebäude nicht nur als Kommando- und Kontrollzentrum genutzt, sondern es beherbergte im Erdgeschoss auch einige Geschäfte, wie einen Lebensmittelladen, einen Textil- und einen Elektronikladen. Im Keller waren neben Raketen, Waffen und Munition der Jihadisten auch für die Bevölkerung bestimmte Medizin, Dünger und ein zur Reinigung von Verstorbenen verwendetes Desinfektionsmittel auf Chlor-Basis gelagert worden.

Gemäß einem „Bomb Damage Assessment“ des US-Militärs löste die Explosion der 500-Pfund Bombe eine Reihe von Sekundärexplosionen aus, die aufgrund der im Keller gelagerten Dünge- und Desinfektionsmittel eine toxische Wolke hervorgebracht haben könnten. Eine Sarin-Bombe hat nicht die Zündenergie, um Sekundärexplosionen auszulösen.

Durch die Explosion kamen vier Jihadisten-Anführer ums Leben sowie eine unbekannte Anzahl von deren Helfern. Weiterhin wurden jedoch zwischen 80 und 90 Zivilisten durch in Folge der Explosion freiwerdende Chemikalien getötet. Ein Team der Ärzte ohne Grenzen (60 km nördlich von Khan Shaykun stationiert), welches zivile Opfer aus Khan Shaykun behandelte, gab an, dass acht Patienten Symptome (Pupillenkontraktion, Muskelspasmen, unfreiwillige Darmentleerung) gezeigt hatten, die auf einen Kontakt mit neurotoxischen Substanzen wie Sarin zurückzuführen sein könnten. Die Ärzte ohne Grenzen besuchten auch andere Kliniken, die Patienten aus Khan Shaykun aufgenommen hatten, und stellten fest, dass diese nach Bleichmittel rochen, als seien sie Chlorgas ausgesetzt gewesen. Das deute darauf hin, dass mehr als nur eine Chemikalie für die Schädigungen verantwortlich sei, was inkonsistent sei mit dem Abwurf einer Sarin-Bombe durch die syrische Armee, argumentiert Hersh. Dieser Umstand deute vielmehr auf das Szenario hin, dass die Vergiftungen durch ein Gemisch von Desinfektions- und Düngemittel ausgelöst worden sei, welche während der Sekundärexplosionen freiwurden. Die Symptome seien konsistent mit der Freisetzung einer Mischung aus Chemikalien, einschließlich Chlor und in vielen Düngemitteln vorkommenden Organophosphaten, welche neurotoxische Effekte ähnlich denen von Sarin hervorrufen können.

Weder die Sicherheitsberater noch die Militärs, welche ja über den bevorstehenden Angriff auf ein Gebäude in Khan Shaykun mit einer konventionellen Waffe informiert gewesen waren, glaubten an einen vor diesem Hintergrund absurd erscheinenden Sarin-Angriff durch das syrische Militär, doch gelang es ihnen nicht, Präsident Trump zu überzeugen, welcher durch die Bilder der Opfer stark beeindruckt und aufgrund der mutmaßlichen Fehlinterpretation einer abgefangenen syrischen Kommunikation, vorschnell Assad als den Schuldigen ausgemacht hatte.

Einer der Verbündeten der USA im Kampf gegen den IS hatte nämlich vor dem Angriff auf das Gebäude in Khan Shaykun eine Kommunikation abgefangen, in welcher ein syrischer General von einer „speziellen“ Waffe sprach sowie von der Notwendigkeit, einen erfahrenen Piloten mit der Aufgabe zu betrauen. US-Geheimdienste interpretierten dies dahingehend, dass mit der „speziellen Waffe“ die russische gelenkte 500-Pfund-Bombe gemeint war, doch Trump, welcher nach Bekanntwerden des Umstandes, dass in Khan Shaykun fast 90 Menschen durch chemische Vergiftungen gestorben waren, sofort an Sarin dachte, wollte in der „speziellen Bombe“ unbedingt einen Hinweis auf den Einsatz einer Sarin-Bombe sehen. „Wenn du bereits für dich entschieden hast, dass es sich [in Khan Shaykun] um eine Giftgas-Attacke handelte, dann wirst du das Gespräch über die ’spezielle Bombe‘ unweigerlich so auslegen, als sei unter diesem Begriff eine Sarin-Bombe zu verstehen“, bemerkte Hershs Quelle hierzu. „Planten die Syrer einen Angriff auf Khan Shaykun? Definitiv. Gibt es Tonbandmitschnitte, die dies beweisen? Definitiv. Planten die Syrer in diesen Mitschnitten den Einsatz von Sarin? Nein.“

Lesenswert ist auch ein Hersh zugespielter und ebenfalls in der „Welt“ veröffentlichter Gesprächsmitschnitt zwischen einem in Syrien stationierten US-Soldaten und einem Sicherheitsberater. In dieser zwischen dem 6.  und 8. April geführten Konversation bezeichnet der Sicherheitsberater das Unvermögen, Trump zu überzeugen, dass es sich in Khan Shaykun nicht um einen Sarin-Anschlag durch die syrische Armee gehandelt hatte, als „historisches Versagen“. Der Soldat erklärt, dass sie [die Militärs] wüssten, dass die Syrer kein Giftgas eingesetzt hätten, sondern es ein gewöhnlicher Militäreinsatz mit Collateral Damage gewesen sei.